Selektives Fressen
- Pferklaert

- 5. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Okt.
Heute schauen wir uns mal das Thema selektives bzw. Instinktives Fressen an.
🔎Selektives Fressen bedeutet erstmal, dass dein Pferd sich seine Nahrung selbstbestimmt auswählt und entscheidet, welche Pflanzen es fressen möchte und welche nicht.
Die Auswahl und der Sortiervorgang von Pflanzen gehen dabei durch den Geschmack, die Textur und den Geruch der Pflanze aus. Die Oberlippe kann unpassende Pflanzen beiseite schieben und erwünschte Pflanzen in Richtung der Schneidezähne ziehen. Selbst im Maul kann das Pferd noch unerwünschte Pflanzenteile über den Laden aussortieren und rausfallen lassen.
Die Auswahl des Futters ist für das Pferd ein Überlebensmechanismus, denn anders als z.B. Hunde kann das Pferd schlechte Nahrung nicht wieder hochholen, indem es sich übergibt. Alles, was das Pferd frisst, muss den gesamten Verdauungsweg bestreiten mit all seinen Folgen.
🔎Aber woher weiß das Pferd denn jetzt, welche Pflanzen es fressen kann?
🐴Fohlen schauen sich zunächst bei anderen Herdenmitgliedern ab, was diese fressen, und übernehmen das Fressverhalten. Sie vermeiden auch dieselben Pflanzen wie ihre Herdenmitglieder. Das bedeutet, je artenreicher die Weiden sind, auf denen Fohlen stehen, umso mehr Pflanzenarten lernt das Fohlen schon in den ersten Lebensmonaten kennen.
Aber dieser Lernprozess endet nicht mit dem Altern, sondern geht immer weiter. In neungenügendem Herden passt sich das Pferd ebenfalls an andere Herdentiere an und übernimmt deren Fressverhalten.
Findet das Pferd eine neue, unbekannte Pflanze, dann wird es zunächst nur eine sehr kleine Menge davon aufnehmen. Die wenigstens Giftpflanzen sind so stark giftig, dass ein Pferd schon bei der Aufnahme einer kleinen Menge stirbt. Stattdessen verursacht die Aufnahme geringer Mengen einer giftigen Pflanze beim Pferd Unwohlsein: Übelkeit, Schwindel, Bauchschmerzen und ähnliche Symptome, vergleichbar mit einer leichten Lebensmittelvergiftung beim Menschen. Das Pferd verbindet dieses Unwohlsein mit dem letzten intensiven neuen Geschmack, den es zu sich genommen hat. Hierbei reicht eine einmalige Lernerfahrung, damit das Pferd für den Rest des Lebens lernt, diesem Geruch/Geschmack aus dem Weg zu gehen. Das funktioniert recht zuverlässig mit Giftpflanzen auf der Weide. Einige giftige Pflanzen verlieren jedoch ihren typischen Geruch / Geschmack im Trocknungsprozess bei der Heuernte, nicht jedoch ihre Giftigkeit. Sie können im Heu von Pferden nicht mehr zuverlässig als Giftpflanzen erkannt werden, sodass es zu erheblichen Vergiftungen bis zu Todesfolge kommen kann.
Aber nicht nur negative Erfahrung mit neuen Pflanzen speichert das Pferd ab, sondern auch positive. Hierbei handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel aus neurologischen und körperlichen Reaktionen, das durch den Vagusnerv, Hormone, Neurotransmitter und bakterielle Stoffwechselprodukte vermittelt wird. Frisst das Pferd eine neue Pflanze, so sendet sein Körper Signale aus, die angeben, ob die Pflanze nützliche Nährstoffe enthält oder potenziell schädlich ist; diese Rückmeldung hilft dem Pferd zu entscheiden, ob es seine Aufnahme der neuen Nahrung erhöhen oder reduzieren sollte. Durch diesen Mechanismus kann das Pferd eine innere Liste der verschiedenen Pflanzen anlegen. Durch die Rückmeldung, die es vom Körper bekommt, kann es übrigens nicht nur zwischen Giftig und Ungiftig wählen, sondern auch Pflanzen wählen, die es gerade besonders braucht, z.B. aufgrund einer Entzündung im Körper, Mineralstoffmangel usw. Es hat also die Möglichkeit zur Selbstmedikation.
Das selektive Fressen kann aber auch abtrainiert werden durch den Menschen.
👉🏻Wenn Pferde hungrig sind, z.B. weil sie Raufutter in Mahlzeiten oder aus Automaten bekommen, neigen sie dazu, auch giftige Pflanzen zu fressen. Ähnliches gilt auf Weiden: Viele Giftpflanzen kann man bei genügend Bewuchs stehen lassen, weil die Pferde dort nicht dran gehen. Haben sie aber keine alternative, greifen sie lieber zur Giftpflanze, als zu verhungern
👉🏻Auch Stress kann das Fressverhalten ähnlich wie Hunger verändern und die Pferde beginnen auch giftige Pflanzen zu fressen
👉🏻Das Trocknen von Pflanzen kann ebenfalls einen Einfluss nehmen, denn wie schon erwähnt verlieren einige Pflanzen beim Trocknen ihren Geschmack und ihren Geruch, bleiben jedoch giftig. Die Pferde können sie dann nicht mehr aussortieren, beispielsweise aus dem Heu oder einer abgemähten Weide
👉🏻Veränderungen im Darm-Mikrobiom können ebenfalls die Instinkte verändern
Zuletzt möchte ich noch auf einen wichtigen Einflussfaktor eingehen. Es macht einen erheblichen Unterschied, was ich meinem Pferd zur Auswahl stelle. Ich kann meinem Pferd Brennnessel, Hagebutten und Weidenrinde als frische und gleichwertige Futtermittel anbieten. Und ich kann meinem Pferd Löwenzahn, Müslis und Äpfel anbieten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd sich gegen den Löwenzahn entscheidet, obwohl es dem Körper am besten tun würde, ist hoch, denn die Futtermittel sind keinesfalls gleichwertig. Viele Pferdehalter geben ihren Pferden Futtermittel, Zuckergräser und weniger über das eine mit unzähligen Aromastoffen und Zuckern und natürlich schmeckt den Pferden die „Schokolade“ besser als das eher unsüße, vielleicht noch bittere Kraut. Das bedeutet, nur weil dein Pferd sein Müsli gerne frisst und sogar verschlingt, heißt das nicht, dass es selber erkennt, dass es gut ist, sondern dass es einfach auf den Geschmack von Zucker gekommen ist. Dieses Pferd wird auch auf der Weide über die Zuckergräser und weniger über das ein oder andere Kraut herfallen.
Jetzt interessiert mich natürlich deine Meinung: Lässt du dein Pferd manchmal selber sein Fressen auswählen oder macht ihr sogar kulinarische Spaziergänge? Lass es mich wissen – ich bin gespannt auf deinen Kommentar! 💬
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