Dauerfresser oder Dauerfuttersucher?
- Pferklaert

- 5. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Okt.
Hellou, heute tauchen wir in ein Thema ein, das oft für Diskussionen sorgt: Sind Pferde Dauerfresser oder Dauerfuttersucher?
👉🏻Diese Frage taucht besonders oft bei der Fütterungsdebatte auf, speziell, wenn es um das Thema „Heu ad libitum“ geht. Oft wird dabei argumentiert, dass Pferde eben Dauerfuttersucher sind und eine 24/7-Fütterung mit Heu nicht erforderlich ist.
Ich habe dich in meiner Story gefragt, wie du zu diesem Thema stehst. Die Mehrheit (72%) ist der Meinung, dass Pferde Dauerfuttersucher sind (7% stimmen für beides und 21% für Dauerfresser). Aber lasst uns die Begriffe erstmal klären, bevor wir tiefer einsteigen.
🔍 In der Tierwelt unterscheidet man grob zwischen Dauerfressern und Mahlzeitenfressern. Dann haben wir noch den Begriff Dauerfuttersucher, dem ich mal den Begriff Jäger und Sammler entgegengesetzt habe. Ein genaues Gegenteil zu Dauerfuttersuchern habe ich nicht gefunden, und auch wenn man beginnt, einfach mal zu googeln - was man eben zuerst tut - findet man keine klare Definition für die Begriffe Dauerfresser und Dauerfuttersucher, deshalb versuche ich es mal mit meiner Definition. Wenn du die Begriffe anders definierst schreibe es mir gerne in die Kommentare!💬
💡 Dauerfresser: Diese Tiere nehmen über den Tag verteilt kontinuierlich eine unbestimmte (aber eher kleine) Menge Nahrung auf – mit Pausen, zum Beispiel beim Schlafen
💡 Mahlzeitenfresser: Diese Tiere haben regelmäßige Fresszeiten mit gewissen Zeitabständen von ein paar Stunden bis hin zu Tagen oder Wochen. Raubtiere oder Menschen gehören in diese Gruppe.
💡 Dauerfuttersucher: Diese Tiere sind ständig auf Futtersuche.
💡 „Jäger“: Diese Tiere machen sich in regelmäßigen Abständen auf die Suche nach Nahrung. Beispiele wären hier wieder Raubtiere oder auch Menschen in der Steinzeit.
👉 Anhand dieser Definitionen sehen wir schon: Dauerfresser und Dauerfuttersucher hängen eng zusammen. Ein Tier, das ständig nach Futter sucht, wird auch immer wieder Nahrung finden und kleine Mengen zu sich nehmen.
Aber wie passt das jetzt zu den Pferden? 🧐
Oft wird der Begriff „Dauerfresser“ im Zusammenhang mit Pferden verwendet. Warum? Wenn wir an Wildpferde denken, die durch die Steppe streifen, sehen wir, dass sie 12 bis 18 Stunden täglich mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt sind. Sie legen große Strecken zurück, da das Futter in ihrer natürlichen Umgebung oft spärlich verteilt ist. Das heißt, sie sind sowohl Dauerfuttersucher als auch Dauerfresser. Sie fressen viele kleine Portionen über den Tag verteilt, ohne große Pausen zu machen, und genau darauf ist auch ihre Verdauung ausgelegt.
🧐 Die Verwirrung um den Begriff „Dauerfresser“
Viele denken, Dauerfresser bedeutet, dass Pferde ständig große Mengen an Futter zu sich nehmen – dem ist aber nicht so. In der Natur nehmen Pferde über den Tag hinweg kleine, kalorienarme Portionen auf. Sie fressen Gräser, Kräuter und andere Pflanzen, die in der Steppe nur wenige Kalorien enthalten.
👉🏻Diese natürlichen Lebensbedingungen können wir aber in unseren Stallungen kaum nachstellen.
🚨Hier kommt auch das Problem: Unsere Pferde bewegen sich im Vergleich zu Wildpferden viel weniger und erhalten oft zuckerreiches Heu oder Gras, das viel mehr Kalorien enthält. Die Rechnung geht also nicht mehr auf. Wenn wir nicht aufpassen, kann eine falsche Fütterung schnell zu Übergewicht und gesundheitlichen Problemen wie Adipositas oder Stoffwechselerkrankungen führen.
🔍Ist 24/7 Heu also das Problem?
Pferde sollten ihrem Bedürfnis nach stetiger Futteraufnahme nachkommen können. Aber wenn wir sie in Boxen ohne Auslauf oder Bewegungsanreize halten und ihnen gleichzeitig ununterbrochen Zugang zu kalorienreichem Heu geben, kann das zu Problemen führen. Gleichzeitig können wir das Pferd aber auch NICHT zu einem Mahlzeitenfresser umtrainieren und ihm morgens, mittags und abends 3 kg Heu in die Box geben.
👉🏻Die Lösung? Stallkonzepte, die das natürliche Verhalten der Pferde unterstützen.
✅ Offenställe, Paddock-Trail-Systeme oder Weidehaltung: Diese Konzepte bieten Bewegungsanreize und fördern das natürliche Verhalten der Pferde.
✅ Bewegungsanreize und Slow Feeder: Diese sorgen dafür, dass Pferde sich mehr bewegen müssen, um an ihr Futter zu kommen und langsamer fressen. So ahmen wir das natürliche Fressverhalten besser nach.
✅ Pferdegerechtes Heu und Gras: Die Qualität des Futters ist enorm wichtig. Es sollte möglichst kalorienarm und faserreich sein, um die Verdauung zu fördern und das Pferd langfristig gesund zu halten.
✅ Ad libitum Raufutter: Es braucht nicht 24/7 Heu, aber es braucht 24/7 was zum Knabbern und damit meine ich nicht 1/2 Stroh, sondern eine größere Vielfalt aus Stroh, Ästen, Rinden, Laub, Wurzeln, Kräutern, Wiese usw.
👉🏻Dauerfresser und Dauerfuttersucher – Beides stimmt!
🔍Pferde und ihr ständiges Bedürfnis zu fressen
Pferde nehmen ihre Nahrung über den Tag und die Nacht in vielen kleinen Portionen auf, wenn ihnen das Futter zur Verfügung steht. Studien zeigen, dass Haus- und Wildpferde zwischen 12 und 18 Stunden am Tag mit Fressen verbringen, abhängig davon, wie „leicht“ die Nahrung zugänglich ist und wie viel davon vorhanden ist.
👉🏻Wann artgerecht gehaltene Pferde ohne negative Fütterungserfahrung fressen und wann sie Pausen einlegen, hängt bei ständiger Futterpräsenz vorwiegend von der Witterung ab. Bei großer Hitze bzw. Mittagshitze suchen Pferde eher einen schattigen Unterstellplatz, als dass sie in der prallen Sonne auf der Weide stehen und grasen.
Interessant ist, dass selbst Pferde in Boxenhaltung mit uneingeschränktem Futterzugang einen Fressrhythmus entwickeln.
🚨Achtung: Die Intensität des Kauvorgangs regelt weitgehend die Futteraufnahme. Konzentrierteres, einfacher aufzunehmendes Futter wird auch in weit höheren Mengen gefressen. Der Magen des Pferdes hat keine Dehnungsrezeptoren und gibt dem Pferd auch kein Sättigungsgefühl dadurch. Ein genereller Richtwert besagt, pro kg dargereichten Raufutters sollte die Fresszeit circa 45 Minuten sein. Hochgerechnet auf 24 Stunden wäre es allerdings besser, die Fressdauer etwas auszudehnen.
🔍Biologische Steuerung des Fressverhaltens
Das Gehirn des Pferdes steuert den Wunsch, zu fressen. Ziel des Pferdeorganismus ist es, das physiologische Gewicht zu erhalten. Schwankungen der Fetteinlagerungen sind dabei völlig natürlich – in der Natur fressen Pferde in Zeiten des Überschusses mehr, während in mageren Phasen die Reserven aufgebraucht werden.
🧬 Je nach Rasse und Herkunftsgebiet zeigen Pferde unterschiedliches Fressverhalten. Pferderassen aus kargen und kalten Regionen sind auf geringe Nahrungsmengen und energiereiches Futter wie Rinden und Wurzeln angepasst. Diese robusten Rassen sind für das „Knabbern“ an faserreicher, nährstoffarmer Nahrung gemacht und nehmen auf unseren leistungsstarken Weiden schnell an Gewicht zu. Dies kann zu Stoffwechselerkrankungen und einer kürzeren Lebensdauer führen.
🔍Warum gibt es dennoch so viele übergewichtige Pferde?
Hier spielen mehrere Faktoren zusammen: Energieverbrauch (Witterung, Bewegung, Jahreszeit), Pferdetyp (Rasse, Genetik, Körpergröße, Gesamtumsatz an Energie), Alter, Gesundheitszustand, Art und Nährwert des Futters sowie die Fressdauer. Aber auch psychologische Faktoren wie Stress (Herdengröße, Anzahl der Futterplätze, negative Erfahrungen und Traumata, Schmerzen) sind wichtig.
Ein großer Stressfaktor für Pferde ist Hunger – und dieser kann selbst bei uneingeschränktem Heuzugang entstehen. Hunger ist dann belastend, wenn er nicht aus einer gewissen „Freiwilligkeit“ resultiert, z.B. wenn rangniedrige Tiere durch Futterkonkurrenz ständig unter Druck stehen und nie in Ruhe fressen können oder wenn der Mensch dem Pferd nur eine vorher abgemessene Menge Heu als Diät anbietet. Dies kann zu psychischen und körperlichen Problemen führen. Im Gegensatz dazu steht ein anderes Pferd in der Mittagshitze lieber unter einem schattigen Baum trotz leichtem Hungergefühl, weil es wartet, bis es etwas kühler wird und es sich dann wieder dem Gras uneingeschränkt und ohne Kampf widmen kann.
Ein Pferd, das jahrelang Hunger gelitten hat, entwickelt oft Verhaltensmuster, die schwer abzulegen sind. Selbst bei ausreichendem Futter neigen diese Pferde dazu, weit über ihren Bedarf zu fressen.
Der natürliche Sättigungsmechanismus wird von psychischen Faktoren überschrieben, was das Pferd zum „Stopfen“ zwingt.
❌ Diäten verschlimmern diesen Stress oft noch weiter.
✅Artgerechte vs. individuelle Haltungsform
Das Ziel sollte immer sein, das Pferd gesund und fit zu halten. Doch was als „artgerecht“ gilt, ist nicht automatisch das Beste für jedes Pferd. Pferde sollten individuell betrachtet werden: Rasse, Lebensgeschichte und persönliche Erfahrungen sind entscheidende Faktoren bei der Wahl der Haltung und Fütterung.
Natürlich würden wir uns wünschen, jedes Pferd entsprechend seiner Genetik und Anlage ideal zu halten und zu füttern, aber im Grunde ist es nur eine Annäherung an ein „artgerechtes“ Leben.
Selbstregulierende Futteraufnahme ist aufgrund des menschlichen Einflusses und der Grundvoraussetzungen durch die hohen Energiedichten der meisten Futtermittel (wie auch Leistungsgras usw.) in unseren Breiten kaum möglich. Unser Pferd als „Dauerfresser“ kann nur mehr durch ein angepasstes, bedarfsgerechtes Stallmanagement gesund erhalten werden.
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