Übersäuerung beim Pferd
- Pferklaert

- 5. Okt.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Okt.
Hellou, heute beschäftigen wir uns mal mit dem spannenden Thema Übersäuerung, auch bekannt als Azidose.
Unter Übersäuerung versteht man eine zu hohe Anflutung von Säuren.
🔍Aber erstmal, was sind Säuren überhaupt? Säuren sind chemische Verbindungen, die Protonen (H+) abgeben können. Basen hingegen nehmen diese Protonen auf, sodass Säuren und Basen zusammen für einen ausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt sorgen.
Insgesamt hat ein gesunder Körper einen leicht basischen pH-Wert um 7,4. Es gibt aber Ausnahmen, wie etwa das saure Milieu im Magen, da Bakterien und Pilze in der Nahrung abgetötet werden müssen. Säure kommt also vor, aber nur dort, wo deren Eigenschaften auch sinnvoll sind. Wäre der Körper nicht in der Lage, überschüssige Säuren abzubauen, könnten wichtige Organe wie das Herz nicht mehr richtig arbeiten.
Bei einem Überschuss an Säuren gibt es zu viele Protonen (H+) in den Zellen. Das ist ein Problem, da der pH-Wert innerhalb der Zellen sehr wichtig für deren Funktion ist. Änder sich der pH-Wert, arbeiten die Zellen langsamer und können im schlimmsten Fall ihre Funktionen fast vollständig einstellen. So gelangen weniger Nährstoffe in die Zellen und sie bleiben zusammen mit Abfallstoffen aus der Zelle im Bindegewebe „hängen“. Als weitere Folge entwickelt sich ein Sauerstoffmangel im Gewebe, Entzündungshormone werden freigesetzt und das Immunsystem ist in dauernder Alarmbereitschaft. Der gestörte Säure-Base-Haushalt blockiert den gesamten Stoffwechsel des Pferdes und führt zu Ablagerungen von Schlackenstoffen. Diese Abfälle versucht der Körper über den Darm, die Leber, die Nieren und die Haut auszuscheiden. Fehlen dem Körper Basen, so zieht er z.B. säureneutralisierende Mineralien wie Kalzium aus Zähnen und Knochen ab und damit steigt die Anfälligkeit für Karies bzw. Knocheninstabilitäten.
Damit das aber nicht passiert, versucht der Körper den pH-Wert von 7,4 zu halten. Dazu setzt er verschiedene Puffersysteme ein. Ein wichtiger Puffer ist das Hämoglobin, der Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Hämoglobin ist in der Lage, über die Bildung von Kohlensäure, einem Reaktionsprodukt aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O), Protonen (H+) zu binden. Durch stressfreie Bewegung und Atmung an der frischen Luft wird Kohlendioxid ausgeatmet, Wasser bleibt zurück. Die eigene Entsäuerung betreibt der Körper daneben mit Bicarbonat (HCO3-), kann er dieses jedoch nicht ausreichend herstellen, lagert er Wasser zum Neutralisieren ein.
Wenn der Körper die Säure nicht mehr neutralisieren kann. Ist der körpereigene Vorrat an neutralisierenden Basen erschöpft, greift er auf Mineralstoffe und Spurenelemente zurück, um die überschüssigen Säuren zu binden. Diese Säuren werden dann vorübergehend im Gewebe „zwischengelagert“, was als Verschlackung bezeichnet wird. Später versucht der Körper diese Stoffe wieder auszuscheiden, was als Entschlackung oder manchmal auch als Entgiftung bekannt ist.
🔍Aber wie kommt eigentlich zu viel Säure in den Körper?
Die Hauptursachen sind falsche Fütterung, Stress, Medikamente und Haltung. Zu wenig Bewegung.
🔍Einfluss der Fütterung
Pferde sind Rohfaser-Fresser. Ihr gesamter Verdauungsapparat ist auf die Aufnahme, Aufspaltung und Verwertung des Grundfutters Heu und Gras ausgelegt. Dennoch ist es inzwischen weit verbreitet, den Tieren Hafer, energiereiche Müslis oder andere Getreidesorten zuzufüttern. Die meisten Pferde kommen dadurch in einen deutlichen Energieüberschuss, da sie sich gar nicht so viel bewegen / bewegen können, um diese Energie abzubauen. In der Regel benötigen nur Sportpferde, die wirklich Leistung bringen, oder auch trächtige Stuten oder Deckhengste im Deckeinsatz, sowie sehr alte Pferde eine tatsächliche Ergänzung von Energie in ihrem Futter. Bekommt ein Pferd nun zu viel dieser säurebildenden Futtermittel, gerät der Stoffwechsel aus den Fugen, da die Energieeinspeicherung, in Form von Fettreserven beispielsweise, zu einer ansäuernden Wirkung führt. Daher sollten Kohlenhydrate (Zucker, Stärke) in der Ration gering ausfallen.
Auch der langfristige Einsatz saurer Futtermittel, wie Heulage oder Silage kann den Organismus übersäuern
Zudem könne auch Eiweißüberfütterung und Nährstoffmangel, die eine enzymatische Entgiftung verhindern, den Säure-Base-Haushalt negativ beeinflussen
Auch Fresspausen stören das Säure-Base-Gleichgewicht. Hier kann es zu einer Flut an Magensäure kommen. Heu wird beim Kauen mit bikarbonathaltigem Speichel versetzt, der zur Abpufferung der Säuren dient. Getreide kann eine bestehende Säureüberladung sogar noch verstärken, da es beim Fressen viel weniger eingespeichelt wird und zusätzlich bei seiner Verdauung Säuren freigesetzt wird.
🔍 Einfluss von Stress
Stress ist der größte bekannte Säurebildner. Die physiologische Funktion von Stress ist es, den Körper auf eine Flucht oder einen Kampf vorzubereiten. Es ist also eine Situation, in der der Körper um sein Überleben fürchtet. Ist der Stressmodus im Körper aktiv, werden Verdauungsvorgänge verlangsamt, die Fortpflanzungsorgane werden nicht genügend versorgt und die Entgiftung und Entschlackung des Körpers stagnieren. Stattdessen werden diejenigen Funktionen mit mehr Blut, mehr Sauerstoff und mehr Nährstoffen versorgt, die für ein Überleben durch Flucht oder Gewinnen des Kampfes unabdingbar sind. Die Lunge atmet vermehrt, das Herz schlägt schneller, es kommt zu Blutdrucksteigerung, die Muskulatur steht unter ständiger Anspannung. Dies ist ein physiologischer Zustand, der vollkommen seine Richtigkeit hat, aber nur als kurzfristiger Zustand gedacht ist. Auf eine Phase des Stresses muss eine Phase der Entspannung folgen, damit sich Blutdruck, Herz-Kreislauf-System und Muskulatur erholen und regenerieren können und damit der Parasympathikus die Verdauungsorgane und Fortpflanzungsorgane wieder besser versorgen kann. Ob ein Pferd Stress hat, ist zumeist gar nicht so einfach zu erkennen. Natürlich gibt es manche Pferde, die dies sehr gut nach außen hin kommunizieren, doch die Mehrzahl der Tiere leidet still vor sich hin und frisst den Stress in sich hinein.
Eine Begleiterscheinung hiervon ist nicht nur die Übersäuerung des gesamten Körpers, sondern auch die Bildung von Magengeschwüren. Es ist die Pflicht eines jeden Pferdebesitzers, auf Stress bei seinem Pferd zu achten und diesen so weit wie möglich zu reduzieren. Hier kann es durchaus unbequem werden, sich der Tatsache zu stellen, dass eventuell die Haltungsbedingungen der größte Stressfaktor sind. Pferde in der Box können beispielsweise allen durch einen nicht gemochten Boxennachbarn ständig unter Stress stehen oder durch den damit einhergehenden Bewegungsmangel. Doch auch der Offenstall oder Aktiv-Stall ist nicht immer die Lösung. Hier entsteht sehr oft Stress durch eine unpassende Herdenzusammensetzung, zu große Herden oder einen zu frequenten Pferdewechsel. Jedes Pferd ist individuell und für jedes Pferd muss die individuell beste Haltung gefunden werden.
🔍Einfluss von Medikamenten und Vorerkankungen
Nicht zu vermeiden sind einige Medikamente bei Erkrankungen und Verletzungen. Dadurch entsteht jedoch im Körper immer ein Ungleichgewicht, welches nach Ausheilung der Erkrankung durch eine Säure-Base-Therapie zumeist jedoch recht einfach wieder behoben werden kann. Auch die Entstehung von PPID und EOTRH wird mit Gewebeübersäuerungen in Verbindung gebracht.
🔍Einfluss der Haltung und Bewegung
Zu den Haltungsbedingungen zählt einerseits der Einfluss von Pestiziden und Umweltgiften auf den Pferdekörper. Dieser ist meist nicht vermeidbar, da Einträge von Spritzmitteln auch über eine große Distanz durch Wind, Regen oder auch Grundwasser geschehen können, sodass es kaum möglich ist, das Pferd vollkommen von diesen Toxinen abzuschotten. Hier gilt es, eine regelmäßige Entgiftung anzustreben und das Pferd im Ganzen gesund zu erhalten, damit es mit diesen Toxinen ohne weitere Probleme umgehen kann. Ein viel wichtigerer Faktor ist die allgemeine Haltung des Pferdes. Das Pferd als Bewegungstier befindet sich ca. 16 von 24 Stunden in ständiger Bewegung, zumeist auf Futtersuche. Bei kaum einem unserer domestizierten Pferde ist diese Stundenzahl heutzutage noch erreichbar, selbst bei Pferden im Offenstall oder Aktivstall nicht.
Dennoch bewegen sich die Pferde dort geregelter, mehr und gesünder als Artgenossen, die in der Box gehalten werden und nur wenige Stunden am Tag „Koppelzeit“ haben. Durch den Drang, sich zu bewegen, der nicht befriedigt werden kann, entsteht einerseits Stress und andererseits wird der Stoffwechsel träge. Vor allem der Lymphfluss leidet hierbei.
🔍 Schauen wir uns noch einmal die Symptome bei Übersäuerung genauer an:
Bei einer Übersäuerung des Gewebes treten nicht sofort charakteristische Symptome auf, vielmehr tritt eine Reihe von unspezifischen Beschwerden auf, die oft nicht als einheitliches Krankheitsbild wahrgenommen werden.
👉🏻Der Körper eines übersäuerten Pferdes zeichnet sich durch Muskelverspannungen, Blockaden oder Fühligkeit bis hin zu entzündlichen Prozessen aus
👉🏻Abmagerung, Leistungsabfall bis Leistungsverweigerung und ein schlechtes Immunsystem sind weitere Anzeichen
👉🏻Oft sind die Pferde eher angespannt und schreckhaft
👉🏻Pferde wirken aufgedunsen, lymphatisch und schwammig
👉🏻Weitere Symptome:
Darm: Kotwasser, Koliken, Dysbiosen
Leber, Niere: gestörte Entgiftung
Lunge: allergische Atemwegsreaktionen
Haut: Sommerekzem, Mauke, Sarkoide, Ektoparasiten (Haarlingen, Zecken, Hautpilz und anderen Räudeerregern)
Hufe: Hufrehe
Gelenke: Kreuzverschlag, Arthritis, unklare Lahmheiten, wiederkehrende Bänder- und Sehnenproblematiken
Magengeschwüre
Entzündungen
Cushing
EMS
👉🏻Eine chronische Übersäuerung ist häufig auch mit einer Therapieresistenz verbunden, d.h. Eingeleitete tierärztliche Therapien greifen nicht, obwohl im Normalfall eine Besserung oder Heilung hätte eintreten müssen.
Du denkst dir jetzt wahrscheinlich: Cool, dann hat ja locker jedes 2. Pferd hat eine Übersäuerung. Und ja, so ist es. Wichtig ist, dass die oben genannten Symptome natürlich nicht zwangsläufig auf eine Übersäuerung hindeuten müssen, aber eben können. Schätzungsweise leiden 75-80 % an einer Übersäuerung.
🔍Wie kann ich nun aber feststellen, ob mein Pferd übersäuert ist?
Also: Für die Bestimmung einer Übersäuerung wird der Urin herangezogen.
Der pH-Wert im Urin gibt aber nur wenig Aufschluss über eine Übersäuerung, da der Körper mit eigenen Puffermechanismen beziehungsweise mittels Mineralfluten einer Übersäuerung entgegensteuert. Es ist also durchaus möglich, dass der pH-Wert im Normbereich liegt, obwohl der Organismus durch Gegensteuerung mit Hilfe körpereigener Minerale bereits überfordert ist. Zur Bestimmung führen daher einfache pH-Messungen (Teststäbchen) nicht zum Ziel. Hierbei wird nämlich nur der aktuelle pH-Wert einer Urinprobe bestimmt, leider ohne Aussagen über die Aufnahmekapazität des Urins für Säuren oder Basen. Für die Feststellung der Gewebeübersäuerung wird deshalb der modifizierte Säure-Basen-Test nach Sander durchgeführt.
Der Säure-Basen-Test nach Sander wird seit Langem in der Humandiagnostik erfolgreich angewendet. Die Probenahme ist besonders einfach und ohne tierärztliche oder therapeutische Unterstützung möglich. Man benötigt lediglich eines der bereitgestellten Spezialröhrchen, ein sauberes Einmachglas oder Ähnliches und bei manchen Pferden eine Portion Geduld. Der Urin des Pferdes wird in einem sauberen Einmachglas aufgefangen und in ein Röhrchen geschüttet. Das Röhrchen wird dann gut verschlossen in das Labor geschickt.
Meines Wissens nach wird der Test auf Gewebeübersäuerung aktuell nur von der Firma Sension angeboten.
So jetzt hast du ja schon ganz viel über diese komplexe Krankheit gelernt.
🔍Was tun wir jetzt aber, wenn ein Pferd wirklich übersäuert ist?
Zuerst möchte ich von Basenpulvern abraten, die oft empfohlen werden. Die Idee ist die: Base und Säure gleichen sich aus, also füttert man einem übersäuerten Pferd etwas Basisches - macht erstmal Sinn. Das Problem ist nur, dass diese Basenpulver nach dem Fressen im Magen landen. Der Magen ist bekanntlich sehr sauer, daher neutralisieren sich hier bereits Säure und Base. Es bleibt quasi nichts mehr von dem Basenpulver über, wodurch die Basen gar nicht erst in den Rest des Körpers gelangen können.
Hinzu kommt, dass ein neutraler Magen nicht regulär arbeiten kann, das bedeutet, die Nahrung kann nicht mehr effektiv aufgeschlossen werden, Keime und Bakterien können wachsen und es kann zu einem gestörten Magenmikrobiom kommen.
Zuerst einmal sollte das Pferd 24/7 pferdegerechtes Heu erhalten. Sollte dies den Mineralstoffbedarf nicht decken, kann über eine Zufütterung von Zink, Magnesium, Kalium und Calcium nachgedacht werden.
Dann sollte möglichst auf Stärke, Zucker und saures Futter (wie Heulage) verzichtet werden.
Auch die Entgiftungsorgane (Leber, Niere, Darm) sollte man bei der Behandlung mittherapieren. Viel wichtiger ist aber wie immer: die Ursache für die Übersäuerung abstellen! Wir erinnern uns, die Hauptursachen liegen aus meiner Sicht in Bewegungsmangel und Überfütterung.
Außerdem ist Bewegung super wichtig, denn so kann das Pferd bei der Reaktion von Säure und Base entstehendes CO2 abatmen. Wichtig ist eine geregelte Bewegung zur verbesserten Sauerstoffaufnahme (lange Schrittphasen reiten), da auf diesem Weg Kohlendioxid (CO2) aus dem Körper ausgeschieden wird (Atemtherapie).
Zuletzt sollte das Thema Stress angegangen werden.
Aufgrund der Tatsache, dass ein Körper grundsätzlich bestrebt ist, sich von Säuren und Schlacken zu befreien, kann eine Umstellung der Fütterung innerhalb von 14 Tagen bereits deutliche Anzeichen der Verbesserung bewirken.
Jetzt interessiert mich natürlich deine Meinung: Ist dein Pferd übersäuert und wenn ja, was tust du dagegen? Lass es mich wissen - ich bin gespannt auf deinen Kommentar!
-Photoroom_edited.png)



Kommentare