Anreiten - Gesetze und Anatomie
- Pferklaert

- 5. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Okt.
🚫 Zu jung, zu früh, zu viel – warum frühes Anreiten ein Problem ist
Viele Pferde werden heute deutlich vor ihrem 3. Geburtstag angeritten – bei Galopp- und Trabrennpferden sogar oft schon mit 1,5 Jahren, damit sie im Alter von 2 schon ihre ersten Rennen laufen können. Aber auch im Dressur- und Springsport und auch bei dem ein oder anderen ambitionierten Freizeitreiter wird sich schon mit 2,5 Jahren auf das Pferd gesetzt, um mit drei die ersten Turniere zu gehen.
Das Problem: Die Pferde sind in diesem Alter anatomisch und mental noch gar nicht bereit für solche Belastungen.
Anatomie – der Körper ist noch im Bau
Viele Knochen weisen je nach Alter des Pferdes Wachstumsfugen (Epiphysenfugen) auf, die erst über Jahre hinweg verwachsen. Das eigentliche Längenwachstum der Knochen findet genau in diesen Fugen statt.
Beim ausgewachsenen Pferd ist dieser Bereich vollständig verknöchert. Beim Fohlen oder Jungpferd hingegen besteht er noch aus Knorpel – und ist damit sehr empfindlich.
Zu frühe oder falsche Belastung – etwa hohe Leistungen, exaltierte Bewegungen oder mechanischer Druck durch Überzäumen, enge Ausbinder oder zu frühes Anreiten – kann zu Schäden an den Epiphysenfugen führen. Das wiederum kann bleibende Fehlstellungen oder fehlerhaftes Wachstum des gesamten Skeletts nach sich ziehen.
📅 Zeitplan des Knochenwachstums beim Pferd:
- Vorderfußwurzelknochen 1,5-2,5 Jahre
- Unterarmknochen 2-3,5 Jahre
- Oberarmknochen 3-3,5 Jahre
- Schulterblatt 3,5-4 Jahre
- Sprunggelenk 4 Jahre
- Becken 3-4 Jahre
- Wirbelsäule 5-7 Jahre
⚠️ Die Qualität der Gelenkknorpel wird bereits in den ersten 5 Lebensmonaten festgelegt – Fehler oder Überlastung in dieser Zeit wirken sich auf das ganze Leben des Pferdes aus.
Nur weil ein Pferd groß aussieht, heißt das nicht, dass es körperlich belastbar ist.
Gesetz – was erlaubt ist und was nicht
- Tierschutzgesetz § 3 Nr. 1 (Bild 3): Es ist verboten, einem Tier Leistungen abzuverlangen, denen es aufgrund seines Zustands nicht gewachsen ist und ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind
- BMEL-Leitlinien: Frühester Beginn der zielgerichteten Ausbildung: 30 Monate/2,5 Jahre und das ist bereits ein Kompromiss zugunsten der Wirtschaft
- Ausnahmen für Galopp- und Trabrennpferde
- Es konnten von den Rennsportverbänden aber keine objektiven wissenschaftlichen Arbeiten vorgelegt werden, aus denen man hätte folgern können, dass eine Ausnahme begründet und zulässig sei
Folgen von zu frühem Training
- Frühschäden: Knochenverformungen, Knorpelschäden, Entwicklungsstörungen
- Spätschäden: Arthrose, Rückenprobleme, chronische Lahmheiten – oft schon vor dem 10. Lebensjahr
- Mentale Schäden: Stress, Überforderung, erlernte Hilflosigkeit
Fazit – Verantwortung statt Tradition
Wirtschaftliche Interessen oder „Tradition“ sind kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes (§ 1), um ein Pferd körperlich und psychisch zu überlasten. Die Gesundheit, Langlebigkeit und Lebensqualität eines Pferdes müssen immer Vorrang vor Siegprämien, Termindruck und sportlichen Ambitionen haben.
Ein früh gerittenes Pferd mag vielleicht kurzfristig funktionieren – aber der Preis dafür sind oft ein kürzeres Leben als Reitpferd, chronische Schmerzen und verlorenes Vertrauen.
Wer sein Pferd liebt, denkt in Jahren und Jahrzehnten, nicht in Turniersaisons.
💬 Mein Appell: Lasst uns den Satz „je früher, desto besser“ endgültig hinter uns lassen. Pferde haben keine Eile – aber wir haben die Verantwortung, sie gesund und mit Freude alt werden zu lassen.
Sei der Mensch, bei dem dein Pferd alt werden darf - gesund, glücklich und mit vertrauen.
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